Micro Fulfillment Center als urbanes Logistikzentrum – Eine angesagte Revolution bleibt aus

Micro Fulfillment Center

Micro Fulfillment Center

Als vor einigen Jahren der Begriff des „Micro-Fulfillment-Center“ in der einschlägigen Berichterstattung auftauchte, wurde diese Art der Versorgung als die Zukunft der Nahversorgung in Ballungsräumen gepriesen. Heute mehren sich die Stimmen, die von einer Hype Blase sprechen, die im letzten Jahr geplatzt ist. Bereits auf der branchenführenden Logimat® Messe in Stuttgart zählte das „Micro Fulfillment Center“-Thema 2022 zu den großen Abwesenden.

Bis vor kurzem hat jeder namhafte „Material Handling Equipment“ (MHE) Hersteller in der Intralogistik seine Interpretation eines „Micro Fulfillment Center“ beworben. Meist handelt es sich um leicht geänderte Zusammenstellungen etablierter Technologien, die für den neuen Ansatz umgeschrieben sind. Davon zeigen noch immer unzählige Artikel, die von den Marketingabteilungen im Internet lanciert sind. Siehe dazu, wie prominent die Hersteller das Thema auf ihren Webseiten darstellen.

Kleine Logistikzentren im urbanen Raum

„Micro Fulfillment Center“ – kurz MFC genannt – werden kleine Logistikzentren genannt, die nahe an Ballungsräumen gelegen sind und schnelle Nahversorgung gewährleisten. Sie vereinen reines „Click & Collect“ mit einem Shopping-Erlebnis für ausgewählte lokale Spezialitäten in einem angeschlossenen Laden. Viele MFC sind im Lebensmittelhandel angedacht. Für die kosteneffiziente Bereitstellung am „Point-of-Sale“ (PoS) wird im Hintergrund automatisch platzsparend gelagert und kommissioniert.

eFulfillment für die Kunden

Durch die Lagerautomation ermöglichte platzsparende Lagerung und entsprechend kosteneffiziente Kommissionierung sind wesentlichen Punke für den Hype der „Micro Fulfillment Center“. Ein automatisches Lager- und Kommissionier-System ersetzt in der Theorie viele kostenintensive Tätigkeiten, wie Einlagerung, Nachschub, Auslagerung und Kommissionierung. In einem Supermarkt erledigt Auslagerung und Kommissionierung der Kunde im „Self Service“. Bei der mittels E-Commerce neu gedachten Nahversorgung im „eFulfillment“ erledigt man diese Aufgaben entweder automatisch oder durch Mitarbeiter. Die traditionelle Warenpräsentation in der Fläche wird durch die Repräsentation im Internet und durch die Nutzung des dreidimensionalen Raums ersetzt. In innerstädtischen Bereichen ist nutzbare Fläche knapp und teuer. Einsparen der Fläche durch Raumnutzung ist immer ein Gewinn. Bei gekühlter Ware gilt dies noch mehr für das zu kühlende Raumvolumen.

Große Logistikzentren und Fulfillmentlogistik

In größeren Anlagen ist die Effizienz sehr leicht nachweisbar und hat in den letzten Jahren zu einem Boom der nachgefragten Projekte bei einschlägigen Anbietern geführt. Die Anfangsinvestition ist gerade in der traditionellen Lagerautomatisierung sehr hoch. Damit kann man deren Verfahren nicht eins zu eins auf kleine Lager umsetzen. Der Betrieb von automatisierten Lagern benötigt oft spezielle teurere Mitarbeiter, ein hochspezialisiertes „Warehouse Management System“ und zur Wartung massive Mehraufwände. Die Installation gelingt auch nur mit einer aufwendigen und ordentlichen Planung und einer intensiven Vorbereitung. Die Herstellung der Automatik und ihre Einführung benötigen bisher entsprechend viel Zeit. Dies alles führt zu langfristigen Projekten mit einer Durchlaufzeit, die in mehreren Jahren gerechnet wird und noch längeren Amortisationszeiträumen.

Es gibt damit Gründe, wieso das Geschäftsmodell der Ausrüstung automatisierter Lager bisher nur für große Betriebe und ihre Zulieferer aufgeht. Man kann kleine Betriebe und kleine Standorte in der Fulfillmentlogistik nicht mit den althergebrachten Mitteln wirtschaftlich betreiben. Dies hat in Ländern, die eine gute Flächenabdeckung durch lokale Supermärkte besitzen, dazu geführt, dass die Kunden die angepriesenen „Micro Fulfillment Center“ nicht oder nur sehr schleppend bestellt haben. Da hilft es nicht, wenn in den Entwicklungsabteilungen neuerdings das „Micro Fulfillment Center“ (MFC) zum „Urban Fulfillment Center“ (UFC) mutiert.

Micro Fulfillment Center – Totgesagte leben länger

„Micro Fulfillment Center“ ist ein Ansatz, der nicht von ungefähr aufgetaucht ist. Der Bedarf besteht und der Druck auf die Betreiber kleinerer Lagereinheiten, effizienter zu arbeiten, kommt durch Lohnpreissteigerung und Arbeitskräftemangel gleichermaßen. Die Verknüpfung von Ladengeschäften mit dem E-Commerce im Handel ist nicht rückgängig zu machen. Nur deswegen eine Entwicklung zu Grabe zu tragen, weil man ihr bisher mit ungeeigneten Mitteln begegnet ist, ist kurzsichtig gedacht.

Nehmen wir die zuvor gebrachten Argumente gegen die Automatisierung kleiner und kleinster Lager. Überlegen wir uns, was benötigt wird, um den Ansatz ins positive zu kehren. Schnelle Durchlaufzeiten und Inbetriebnahmen, geringe Anfangsinvestitionen, intuitive Nutzerführung insbesondere in der „Warehouse Management System“ Software und leichte Wartbarkeit sind die Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung eines MFC-Konzepts.

Micro Fulfillment Center profitieren von Modularität

Die traditionell automatisierten Lagersysteme bilden diese Forderungen nicht oder nur ungenügend ab. Zum Glück für das „Micro Fulfillment Center“ sehen wir in der MHE-Industrie neue Technologien und Herangehensweisen auftauchen. Die Basis bilden modulare Einheiten und für die benötigte Leistung leicht skalierbare Roboter und Fahrzeuge. Für kleine bis mittlere Anlagen reduziert sich dadurch auch die Komplexität der Systeme wesentlich.

Modularität in kleinen Einheiten gewährleistet eine schnellere Fertigung und leichte Erweiterbarkeit, wenn die ursprünglichen Prognosen für die notwendige Lagerung und Leistung durch die Wirklichkeit übertroffen werden. Klein anfangen und sukzessive ausbauen und nur für das zahlen, was gerade benötigt wird, ist das Gebot der Stunde. Damit wird auch die Anforderung an die Planung geringer. Die Glaskugel lesen wir nur mehr für die nahe Zukunft, wie es das eFulfillment eher erlaubt. Dies steht im Gegensatz zum Zeitraum für die Amortisation traditioneller Fulfillmentlogistik Anlagen, der kaum vorhergesehen und schwer geplant werden kann. Kleinere Einheiten sind auch leichter wartbar und können teilweise schnell ausgetauscht werden. Benötigt man dafür keine großartig ausgebildeten Spezialisten, schlägt sich das auf die Erhaltungskosten durch.

Ein daran angepasstes „Warehouse Management System“ stellt sich in seinem Aufbau auf diese Modularität ein und darf nicht monolithisch sein. Neue Konzepte der Benutzerführung erleichtern den Umgang mit der Lagerverwaltung und ermöglichen eine schnelle Übersicht auf die vorhandenen Aufgaben.

Der Wettbewerb um die Fulfillmentlogistik Zentren

Vorreiter auf diesem Segment der modularen Lagerbewirtschaftung in Logistikzentren sind die sogenannten „Cube Storage“ mit kleinen Bots in definierten Regalstrukturen und „Rackbot“ Systeme. Bei „Rackbot“ Systemen greifen die Roboter in Regale, um Behälter oder Kartons zu lagern und entnehmen und führen diese dann direkt zu den Arbeitsstationen zur Kommissionierung. Hier ist die Entwicklung in den letzten Jahren außerordentlich schnell vorangeschritten und sicher noch nicht zu Ende. Man kann gespannt sein, wie es weiter geht.

Traditionsreiche Hersteller können in der Materialbewirtschaftung durch ein „Warehouse Management System“, ausgeklügelte Arbeitsstationen und der Erfahrung in den Marktsegmenten punkten. Einige werden es schaffen, sich den Markt der kleineren eFulfillment MFC Anlagen genauso zu erschließen, wie ihren ursprünglichen Markt im Rahmen der großen Logistikzentren. Das Potential beim Investitionsvolumen bei der Vielzahl an kleinen Fulfillmentlogistik Anlagen ist ähnlich groß, wie bei den weniger zahlreichen großen.

Im Endeffekt kann man genau sagen, in welcher Kombination wir welche Systeme bestmöglich einsetzen. Die Kenntnis, welches System zu welchen Anforderungen passt, ist hierbei ausschlaggebend für den Erfolg der „Micro Fulfillment Center“. Dies gilt für die zu berücksichtigenden Umgebungsvariablen, die „Hard Facts“ und die weicheren Faktoren.

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