DACHSER Interview – Spediteure vom Palettentausch befreien – Vision mit Chance?

DACHSER Interview zum Thema Palettentausch. Ich (Beat Sanne) hatte Gelegenheit, den Chief Development Officer, Stefan Hohm von DACHSER SE für eine Stellungnahme zu befragen, wie in der Abfolge dokumentiert und wieder gegeben:

Beat Sanne: Wir möchten gerne Ihre Meinung erfahren, Ihre Einschätzungen als einer der führenden Spediteure und Frachtführer im Markt kennen lernen und erfassen, welche Chancen und Risiken sie in einer Abgabe des Palettentauschs an eine digitale Plattform wie LCX NEXUS sehen. Die Fragen beleuchten strategische, rechtliche, operative und wirtschaftliche Aspekte und die Aussicht auf Marktakzeptanz und -relevanz. 
 
LCX NEXUS tritt als neuer Spieler im Markt des Ladungsträgertausches auf, mit der Werbeaussage „Wir befreien die Spediteure von der Tauschpflicht“ sowie „Wir denken Palettentausch neu“.  Weitere Werbeaussagen sind:

  • Ein vollständig digitales, intelligentes Operating System für Ladungsträger.
  • Tausch & Management – aus einer Hand. Ein System, dass alles intelligent und effizient orchestriert.
  • Powered by KI – made in Germany 
Entwickelt, um Logistik transparent, fair und radikal effizient zu machen.

Auf diese DACHSER Interview Fragen warten Antworten:

Strategische Einschätzung

Sanne: Wie bewerten Sie grundsätzlich den Ansatz, den gesamten Palettentauschprozess an eine digitale Clearing-Plattform wie LCX NEXUS auszulagern? Sehen Sie darin eher eine Entlastung oder eine Abhängigkeit?

Hohm: Keine gute Idee, da der Palettentauschprozess aus unserer Sicht entweder über Open Source oder zumindest eine NGO abgewickelt werden muss (s. eCMR der Open Logistic Foundation oder Cloud4Log der GS1).

Wirtschaftliche Auswirkungen

Sanne: Welche wirtschaftlichen Effekte erwarten Sie, wenn die bisherigen Tausch- und Ausgleichsprozesse vollständig digitalisiert und zentral abgewickelt werden? Wo sehen Sie Einsparungen, wo neue Kosten?

Hohm: Ein vollständige Digitalisierung wäre eine enorme Kosteneinsparung in Millionenhöhe. Die Gefahr liegt in der Monopolstellung durch einen Dienstleister, der das Handling vornimmt.

Verantwortung und Haftung

Sanne: Wären Sie bereit, die Haftung für Palettenverluste, Differenzen oder Qualitätsmängel vollständig an einen externen Clearing-Dienstleister zu übertragen? Unter welchen Bedingungen wäre das für Sie akzeptabel?

Hohm: Nein.

Vertragsbeziehungen

Sanne: Wie ließe sich eine solche Umstellung rechtssicher in bestehende Frachtverträge integrieren? Halten Sie dafür standardisierte Rahmenvereinbarungen oder individuelle Anpassungen für notwendig?

    Hohm: Ohne eine Vereinbarung mit Absender, Empfänger und Frachtführer wird dies nicht funkionieren.
    Mit allen Parteien müssten gleichlautende Verträge geschlossen werden.

    Daten und Transparenz

    Sanne: Würden Sie Ihre Transport-, Paletten- und Auftragsdaten automatisiert an eine Plattform wie LCX NEXUS übermitteln – und ihr damit Einblick in operative Abläufe gewähren? Welche Anforderungen hätten Sie an Datenschutz, Datensouveränität und Neutralität?

    Hohm: Nein.

    Operative Machbarkeit

    Sanne: Glauben Sie, dass die Abwicklung über ein virtuelles Clearing und zentrale Depots in der täglichen Praxis – insbesondere im Stückgut- und Sammelgutverkehr – realistisch funktioniert? Wo sehen Sie technische oder organisatorische Grenzen?

    Hohm: In der Theorie könnte ein derartiges Modell funktionieren, da die heutige Intransparenz eliminiert werden würde. Technisch stößt das Modell in der Praxis schnell an seine Grenzen, da nicht alle an der Supply Chain Beteiligten über einen digitalen Zugang verfügen oder nicht Willens sind, die Daten preiszugeben.

    Marktrollen und Wettbewerb

    Sanne: Wie verändert sich aus Ihrer Sicht das Verhältnis zwischen Spediteur, Verlader und Empfänger, wenn der Palettentausch künftig über eine neutrale Plattform läuft? Verstärkt sich die Abhängigkeit oder entstehen neue Handlungsspielräume?

    Hohm: In der Theorie hat der Spediteur gar nichts mit der EU-Palette zu tun, er fungiert heute quasi als „Postbote“ für die EU-Palette. Die Abhängigkeit zwischen den Parteien würde sich nicht verändern. Durch die Transparenz würden neue Möglichkeiten bestehen, Paletten buchhalterisch auch mit Dritten zu verrechnen und den physikalischen Transport zu vermeiden (Kosten-, Zeit- und CO²-Einsparung)

    Akzeptanz in der Supply Chain

    Sanne: Wie schätzen Sie die Bereitschaft Ihrer Auftraggeber und Partner ein, den Palettentausch künftig über ein externes digitales Clearing abwickeln zu lassen? Wo erwarten Sie Widerstände?

    Hohm: Die Bereitschaft schätzen wir eher sehr gering ein, da ähnlich wie bei Cloud Anbietern eine Monopolstellung zu exorbitanten Transaktionskosten führen würde.

    Nachhaltigkeits- und ESG-Argumentation

    Sanne: Sehen Sie in der Reduktion von Leerfahrten und CO₂-Emissionen durch virtuelles Clearing einen realen Nachhaltigkeitsgewinn oder eher ein Marketing-Narrativ?

    Hohm: Durch die Transparenz würden neue Möglichkeiten bestehen, Paletten buchhalterisch auch mit Dritten zu verrechnen und den physikalischen Transport zu vermeiden (Kosten-, Zeit- und CO²-Einsparung). Somit könnte ein tatsächlicher, realer Nachhaltigkeitsgewinn entstehen.

    Zukunftsperspektive

    Sanne: Wenn Sie völlig frei entscheiden könnten: Würden Sie den Palettentausch lieber digital delegieren oder weiterhin selbst kontrollieren? Welche Rolle sollte der Spediteur im Ladungsträgermanagement der Zukunft aus Ihrer Sicht spielen? Wird sich ein solches Angebot im Markt sich als Standard etablieren können ? 

    Hohm: Das Handling von EU-Paletten gehört zu den Kernkompetenzen einen Stückgut-Logistikdienstleisters. Aus diesem Grunde werden wir den Prozess auch in Zukunft selbst kontrollieren und digitalisieren. Der Spediteur wird auch in unmittelbarer Zukunft den Ladungsträger managen müssen, weshalb wir glauben, dass sich ein solches Angebot am Markt nicht durchsetzen wird.

    Sanne: Herr Hohm, ich danke Ihnen für Ihre interessanten Antworten bei unserem DACHSER Interview.

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